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Rückblick: Energiejahr hat Nachhaltigkeit der Energiesysteme im Blick

Unsere zweite Fachveranstaltung am 10. März 2022 beschäftigte sich mit dem Themenkomplex „Energiesysteme und Nachhaltigkeit“. Ein Rückblick.

Prof. Dr. Martin März (FAU Erlangen Nürnberg| Fraunhofer IISB) sprach in seiner Keynote über nachhaltige dezentrale Energiesysteme. Foto: ENERGIEregion Nürnberg/Christian Hiemisch

Die Veranstaltung kann auf unserem Youtube Kanal angesehen werden. Link

„Wir sind in der Metropolregion Nürnberg im Bereich Energie- und Nachhaltigkeitstechnik sehr gut aufgestellt – sowohl bei den Hochschulen und wissenschaftlichen Einrichtungen, als auch bei den Unternehmen. Über 70.000 Beschäftigte arbeiten in diesem Sektor in der Metropolregion. Die Kernkompetenzen liegen entlang der gesamten Energiekette: Energietechnik, Leistungselektronik, effiziente Antriebstechnik, Mess-, Steuer- und Regeltechnik“, so Dr. Michael Fraas, Vorstandsvorsitzender der ENERGIEregion und Wirtschafts- und Wissenschaftsreferent der Stadt Nürnberg. In diesen Kompetenzen liegen die Chancen für die Transformation des Automotive-Sektors, die gerade für die Metropolregion eine große Herausforderung ist: „Rund 100.000 Beschäftige arbeiten hier im Automotive-Bereich. Das sind mehr als zehn Prozent der Beschäftigten der deutschen Automobilindustrie,“ so Fraas. Er sieht Wasserstoff als ein Schlüsselthema für die Metropolregion: „Überall entstehen in der Region hierzu neue Leuchttürme und zwar nicht nur im Ballungsraum Nürnberg-Fürth-Erlangen, sondern auch in der Fläche, zum Beispiel in Wunsiedel oder Hof.“

Hohes Lob vom Minister

Für Markus Blume, Bayerns neuen Staatsminister für Wissenschaft und Kunst, war es „das erste virtuelle Grußwort meiner Amtszeit“. Die zuletzt durch den von Russland losgetretenen Angriffskrieg auf die Ukraine weltweit ausgelösten Kostensprünge bei den Energiepreisen hätten die Themen Energiesicherheit und -abhängigkeit ganz dramatisch ins Bewusstsein der Bevölkerung gerückt: „Die Bezahlbarkeit der Energie ist wichtig für unsere Wettbewerbsfähigkeit, aber auch eine soziale Frage für Privatleute wie für Mittelständler“, machte der CSU-Minister deutlich. Auf der anderen Seite habe der Weltklimarat IPCC „uns ganz aktuell ins Stammbuch geschrieben: wir müssen noch mehr machen“. Es gelte, den CO2-Ausstoß zu senken mit „Energiediversität, anderen Formen der Energiebereitstellung und -erzeugung“, auch um durch neue Technologien die Kosten schnell wieder nach unten zu bringen. Genau dafür „hält die ENERGIEregion die Fäden in der Hand. Der Energie Campus Nürnberg ist der bayerische Think Tank für diese Fragen. Und der NKubator (Erklärung folgt weiter unten im Text) ist die wichtige Neuerung in der Energielandschaft“, fasste Minister Blume zusammen. Durch sie würden die regionalen Innovationskerne Technologie und Innovation in die Anwendung gebracht.

Viele Potenziale – zahlreiche Chancen

Auch Professor Dr. Martin März, an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und dem fränkischen Fraunhofer-Institut IISB tätig, sah „durch die Energiepreisentwicklung und die dramatischen Ereignisse der letzten Tage die Abhängigkeit von den fossilen Energieträgern dokumentiert“. Doch in seiner fachlichen Einführung in die Veranstaltung machte März auch deutlich: „Die Auswirkungen der fossilen Energienutzung auf unser Klima sind seit Jahrzehnten bekannt.“

Hierzulande sah März „den regulatorischen Dschungel, in dem wir uns verheddert haben“ als ganz wesentlichen Grund für die geringen Nachhaltigkeitserfolge an. Die Ingenieure hätten ihre Arbeit großteils bereits erledigt und aufgezeigt, wie Energiesysteme zu optimieren sind, so März. Jetzt geht es darum, die Bausteine zu einem wirtschaftlichen und nachhaltigen Gesamtsystem richtig zusammenzusetzen.

Am Fraunhofer IISB habe man bewiesen, was durch die Installation von Energiemonitoring und die Installation von „Optimierungswerkzeugen“ wie Großkältespeicher oder Wärmepumpen insbesondere in der Kältetechnik an Einsparungen möglich sei: Eigenerzeugung, u.a. durch „Photovoltaikanlagen, die heute Strom für zehn Cent pro Kilowattstunde (kWh) produzieren, das ist auch für industrielle Abnehmer interessant“, aber auch die Absenkung von Lastspitzen durch Energiemanagement haben den Energiebedarf des IISB seit 2012 um 20 Prozent, den Leistungsbedarf um 250 kW oder 25 Prozent gesenkt.

In seinem Rundumschlag betrachtete März das gesamte aktuell diskutierte klimakritische Portfolio. Besonders nahm er sich die Mobilitätswende vor. „Man muss ganz offen konstatieren: Das Brennstoffzellenauto macht keinen Sinn“, war eine These, die er mit „nur 20 Prozent der eingesetzten Energie, die an der Straße ankommt“ begründete; beim Batterie-Elektroauto seien das dagegen 65 Prozent.

Die E-Mobile wiederum sollten als virtuelle Speicher genutzt werden können: „Drei kW pro Auto und zehn Prozent des Speichervolumens bedeuten eine Regelleistung von 15 Gigawatt (GW) für zwei Stunden“, rechnete er vor; „insgesamt fährt zurzeit das 75-fache der gesamten Pumpspeicherenergie auf unseren Straßen herum“, wagte er sich an einen eindrucksvollen Vergleich.

Und auch die „immer wieder als Sau durchs Dorf getriebenen kritischen Rohstoffe für Batterien“ seien nur vorgeschoben: Einerseits seien „neue Technologien in der Pipeline, für Seltene Erden gibt es Ersatzstoffe“. Und andererseits sah er „keinen kritischen Rohstoffengpass“.

März` Ausblick geriet denn auch zum Plädoyer für Nachhaltigkeit: „Der Umbau des Energiesystems wird zwar verdammt teuer. Aber es lohnt sich: Wir haben alleine 2021 über 40 Milliarden Euro für Erdöl ausgegeben, oft an fragwürdige Staaten. Mit regenerativen Energien wären wir in der Lage, sichere Arbeitsplätze bei uns zu schaffen. Und einen dauerhaft niedrigen Energiepreis.“Private Investitionen in erneuerbare Energien lohnen

Die folgende, von Energie-Campus-Nürnberg-Geschäftsführer Markus Rützel moderierte Podiumsdiskussion drehte sich zwar zuvorderst um E-Mobilität und Stromnetze. Aber auch hier dominierte wegen der aktuellen Energie-Importabhängigkeit die notwendige Umstellung auf heimische Quellen. Martin Grimmeisen von den Stadtwerken infra fürth gmbh versprach, über Tarife für bidirektionales Laden von E-Fahrzeugen nachzudenken. Und er empfahl „Privatleuten, immer mehr auf dezentrale Energien zu setzen“: Einerseits werde der Strom aus dem Netz immer teurer, der Preis für Photovoltaikanlagen aber immer billiger. Sebastian Bachmann, Gründer der chargeIT mobility GmbH aus Kitzingen, dachte zudem an die häusliche Selbstversorgung in Krisenfällen, die durch Speicher möglich sei – ob im E-Mobil oder im Keller. Die Diskutanten appellierten am Ende an die verantwortliche Politik, Mut zu haben, „Beschränkungen für erneuerbare Energien auszuräumen; Regularien zu vereinfachen, um wettbewerbsfähig zu bleiben; die Gesetze und Verordnungen zur Energieversorgung auf deren schnelleren Umbau auszurichten“.


Nachhaltiges Gründen – der NKubator hilft

Mit dem Satz „für die Energiewende braucht es auch Unternehmer“ leitete Rützel zu Andrea Sieglitz-Hoepffner über. Sie führt den ein Jahr jungen „NKubator“, das  Nürnberger Innovations- und Gründerzentrum für Energie, Green Tech und Nachhaltigkeit. Die von der Stadt Nürnberg finanzierte Einrichtung unter der Regie der ENERGIEregion wolle Gründerinnen und Gründer von Energie- und GreenTech- und technologieintensiven Unternehmen unterstützen, aber auch Anlaufstelle für etablierte Unternehmen auf dem Weg zum nachhaltigen Wirtschaften und zu nachhaltiger Unternehmensführung sein. Die direkte Nähe zum FAPS, dem Lehrstuhl für Fertigungsautomatisierung und Produktionssystematik der FAU, fördere die Zusammenarbeit der Jung-Unternehmen mit der Wissenschaft, hob sie eine Besonderheit des Energie-Gründerzentrums heraus. Auf dem ehemaligen AEG-Areal in Nürnberg habe der NKubator „eigene Räumlichkeiten“, vermiete also direkt und mit speziellen „Angebotspaketen“. Die „Einsteigerlösung“ koste gerade mal 180 Euro pro Monat.

Bereits vor der Gründung könnten die potenziellen Unternehmerinnen und Unternehmer unterstützt werden, so Sieglitz-Hoepffner. Doch wer sich einmieten wolle, müsse auch klar nachweisen, dass und welchen der 17 UN-Nachhaltigkeitsziele man sich verpflichtet fühle.Beispielhafte Angebote aus der ENERGIEregion Nürnberg

Am Nachmittag wurde beispielhaft klar: Die ENERGIEregion steht für die gesamte Metropolregion Nürnberg. Dazu gehört auch das Bayerische Zentrum für Batterietechnik, angesiedelt an der Universität Bayreuth. Hier sind laut Dr. Matthias Daab gerade zwölf Lehrstühle und Arbeitsgruppen im Aufbau. „Wer hier studiert hat, kann auch weitermachen“, ob in der immer breiter aufgestellten Batterie-Industrie oder in der Forschung am Campus. Von Batterie-Kreislaufwirtschaft, über All-Solid-State-Akkus ganz ohne Flüssigelektrolyt bis zu Silizium statt Graphit als Anodenmaterial: die von Daab aufgeführten Forschungsthemen scheinen schier endlos.

Die CENERO Energy GmbH, der Energiedienstleister des Gewerbegeländes „Auf AEG“, betreibt als Tochter des Immobilienbesitzers MIB AG hier ein Arealnetz. CENERO-Projektingenieur Alexander Vierheilig machte klar, dass zwar der Begriff „Arealnetz nicht gesetzlich definiert“ ist, aber dennoch jede Menge Regeln beachtet werden müssen, um die Versorgung der Mieter auf dem ehemaligen AEG-Werksgelände ermöglichen zu können. Lastmanagement, E-Mobilität, Eigenstrom-Erzeugung und -Verteilung: Neben technischer sei „die juristische Kompetenz bei Versorgern unermesslich wichtig“; genau diese Kombination sieht Vierheilig bei seinem Unternehmen gegeben.

Die Siemens Energy global GmbH & Co KG stellt „Auf AEG“ Traktionstrafos für die ganze Welt her, und zwar nachhaltig, wie Dr. Horst Renner betonte. Die Hauptziele dabei: Klimaneutralität des Betriebs bis 2030, CO2-neutraler Strom aber bereits 2023. Dabei komme dem Energiemanagement eine tragende Rolle zu: Allein durch das Ausschalten eines zweier Mittelspannungstrafos wurden 22 Megawattstunden (MWh), durch die Umstellung von Luftkissen- auf Rollentransport 44 MWh pro Jahr eingespart, nannte Renner Beispiele. Dies und die Vielzahl weiterer Umstellungen habe zwar Geld gekostet, rentiere sich aber mit einem ROI (Return Of Invest) von drei bis vier Jahren.

Die Südwerk-Projektgesellschaft mbH aus Burgkunstadt hat bereits 300 Megawatt (MW) „nachhaltige und naturnahe Energieversorgung“ auf Basis Photovoltaik errichtet und weitere 600 MW in der Bauleitplanung, wie Thomas Jungkunz berichtete. Bei der Planung sei es wichtig, „die Bürgerschaft mitzunehmen und zu überzeugen“, nannte der Projektentwickler einen wichtigen Punkt, um mehr der „notwendigen Projekte umsetzen zu können, eine Mammutaufgabe“. Und für mehr Naturverträglichkeit empfahl er den Mitbewerbern, mit Hochschulen zu kooperieren.

Dr. Gert Mehlmann vom Lehrstuhl für Energiesysteme der FAU Erlangen-Nürnberg empfahl zusätzlich Echtzeitsimulationen, um die Auswirkungen neuer, großer Regenerativ-Stromerzeuger auf bestehende Stromnetze zu beurteilen. Drei Labore habe der Lehrstuhl im Einsatz, darunter „das Echtzeitlabor - eines der leistungsstärksten Systeme im wissenschaftlichen Umfeld weltweit“. Damit ließen sich Netze und Anlagen nachbilden oder große Speicher optimieren, „was wegen der Anlagengröße im Feldversuch schwer möglich ist und die Gefahr des Netzausfalls beinhaltet“, erläuterte Forscher Mehlmann den Sinn der Simulation.

Nach diesem umfassenden Überblick zu nachhaltigen Energiesystemen lenkte Simon Reichenwallner, Netzwerkmanager der ENERGIEregion, den Blick auf eine weitere wichtige Komponente der Energiewende: Energieeffiziente Gebäude stehen im Zentrum der dritten Veranstaltung der Energiejahr-Reihe. Sie findet am 5. Mai als Online-Format statt.